Christine Pehl lebt seit vielen Jahren ihre ganz eigene Form von „heilsamer Reduktion“ – wie sie es selbst bezeichnet. Ein gemütliches Sofa, ein schöner Holztisch und zwei Stühle erwarten den Besucher im Wohn- und Arbeitszimmer – mehr nicht. Unweigerlich kommt man beim Betreten des Raumes zur Ruhe und fragt sich automatisch, warum ist das so? Die Antwort ist einfach: Das Auge erfährt keine Ablenkung, sondern kann sich sofort aufs Wesentliche konzentrieren. Und genau das ist auch die Lebensphilosophie von Christine Pehl: Sich ganz auf die Aufgaben, Begegnungen und die eigene innere Mitte fokussieren. Das sorgt für innere und äußere Klarheit. Und genau das benötigt sie auch bei ihren Beratungen, Seminaren und Coachings zu den Themen innere Nachhaltigkeit, Achtsamkeit und Selbstfürsorge. Seit vielen Jahren unterstützt sie Organisationen, sich nachhaltig aufzustellen und bedient damit eines der wichtigsten Themen unserer Zeit. Zudem coacht sie Menschen bei ihrer beruflichen und persönlichen Findung.
Im folgenden Interview wollen wir herausfinden, wie es ihr mittlerweile mit ihrer Art zu Leben geht und ob sie nicht doch hin und wieder den „Verlockungen“ der Konsumgesellschaft erliegt.
Christine, du lebst jetzt bereits seit über 10 Jahren minimalistisch. Es ist alles immer noch so herrlich aufgeräumt wie am ersten Tag. Wie machst du das?
Ich halte einfach die Ordnung (schmunzelt). Wo wenig ist, gibt es nicht viel zu tun und was da ist, hat seinen festen Platz. Einmal im Jahr gehe ich durch die Wohnung und schaue, was ich nicht mehr brauche oder möchte. Das können angeschlagene Utensilien sein, alte Kassenquittungen oder Kleidung. Es darf also immer Altes gehen, damit Neues Platz findet. Ich habe nicht das Bedürfnis alles anzufüllen, es soll überschaubar bleiben. Eine Kundin sagte letztens zu mir „hier ist Augenfrieden“. Ich glaube, das trifft es. Wenn ich in meine Wohnung komme, möchte ich immer das Gefühl haben „hier gibt es nichts zu tun“.
Man sagt ja immer, die Wohnung ist auch ein Spiegel der Seele. Ist das bei dir auch so?
Hm. Ja, wenn ich so drüber nachdenke…Mir ist wichtig, klar zu sein, konzentriert auf das Wesentliche und mit viel Frei-Raum fürs Spüren und Neu-Denken. In meinem und unserem Leben gibt es täglich viele Herausforderungen, für die zahlreichen Aufgaben brauchen wir die nötige Kraft und Vitalität. Da hilft ein klarer Ort zur Ruhe zu kommen.
Was machst du, wenn dir Freunde mit einem Geschenk, also einem Gegenstand, eine Freude machen möchten?
Meine Freunde wissen, dass ich Geschenke lieber aufesse, als dass ich sie in der Wohnung aufstelle (lacht). Man kann mir mit genüsslichen Dingen am meisten Freude bereiten. Torten und Pralinen sind einfach wunderbar. Wer nicht genießen kann, wird ungenießbar.
Hand aufs Herz: Hast du dir in den letzten Jahren schon mal überlegt, dein Prinzip der „heilsamen Reduktion“ wieder zu verlassen oder zumindest ein wenig aufzuweichen?
Nein, tatsächlich nicht. Mein Lebensstil fühlt sich für mich so gut und entlastend, ja erleichternd an, so dass er für mich nicht Verzicht bedeutet. Immer wenn ich meine Wohnung betrete, herrscht Ruhe und Frieden. Hier kann ich durchatmen, das ist richtiggehend befreiend, denn ein leerer Raum ermöglicht es mir, im Lot zu sein und gleichzeitig Neues zu denken.
A propos Neues: Sind die Verlockungen in dieser Gesellschaft nicht auch für dich riesengroß?
Jein. Ich gönne mir durchaus schöne, hochwertige Dinge wie zum Beispiel mein feines Sofa oder die maßgeschneiderte Küche. Auch meine Kleidung ist hochwertig und nicht aus der Kategorie „Fast Fashion“. Aber ich wähle alles mit Bedacht aus und kann mich täglich daran freuen. Die eigentliche Fülle empfinde ich in menschlichen Begegnungen und in einem Leben mit allen Sinnen. Aber wer weiß, was die Zukunft bringt…das lasse ich ganz entspannt auf mich zukommen.
Als Coach begleitest du ja auch Unternehmen und Menschen in ihrer eigenen Entwicklung hin zu mehr innerer und äußerer Nachhaltigkeit. Welche Schritte sind dir dabei besonders wichtig, zunächst in Punkto Selbstfürsorge?
Salopp formuliert ist es wichtig, dass wir Menschen unsere drei H´s zusammenbringen: Hirn, Herz und Hand. Um das zu erreichen, sensibilisiere ich erstmal für die Themen innere Nachhaltigkeit, also Selbstfürsorge und Resilienz. Was sagt unsere eigene Körperweisheit und wie gehen wir mit unseren Gefühlen und Gedanken um. Kenne ich meine Werte im Leben und richte mich danach aus? Welche Gaben besitze ich und was sind meine Auf-Gaben? Gibt es Spiritualität in meinem Leben?
Innere Nachhaltigkeit und ein achtsamer Umgang mit sich selbst sind damit die grundlegende Basis für das so wichtige nachhaltige Agieren im ökologischen Sinn. Wäre ein erster Schritt also tatsächlich erst mal, seine Wohnung bzw. sein Büro zu entrümpeln?
Das ist auf jeden Fall ein guter Anfang, denn es fühlt sich befreiend an und kann die Basis für weitere Klärung sein. Dabei bewirken schon kleine Dinge viel: Ob man sich von alten Unterlagen trennt, dem überfüllten Aktenschrank oder nicht mehr funktionierenden Schreibgeräten – all das schafft Frei-Raum. In der nächsten Stufe geht es um das Aussortieren von Aufgaben im Arbeitsumfeld. Indem wir immer wieder prüfen, was wirklich wichtig ist und was wir weglassen oder ändern können, lernt man automatisch, sich auf das Wesentliche zu fokussieren. Neulich war ich auf einer Tagung des Roman Herzog Instituts, einem Forschungsinstitut, das sich mit wirtschaftlichen Zukunftsfragen beschäftigt. Einer der Mitbegründer ist der Unternehmer Prof. Randolf Rodenstock. Ein Journalist fragte ihn: „Herr Rodenstock, was bringt die Zukunft der Arbeit?“ und er antwortete: „Wissen Sie, ich weiß es auch nicht, ich weiß nur eines, wir sollten uns überlegen, was wir zukünftig nicht mehr machen wollen“. Vielleicht ist das die entscheidende Frage für unsere Zukunft?
www.pehl-beratung.de
Achtsamkeit